„Herr behüt diese Mühle vor Sturm und Wind, und vor Gesellen die langweilig sind”.
Dieser Hausspruch steht im 1. Stock über dem Eingang der 1821 erbauten Mühle. Im Kunstführer Emmental wird die sie als eine der schönsten Mühlen des Emmentals bezeichnet. Das überaus
stattliche Mühlegebäude in ländlicher Spätbarockform ist der Emmentaler Bauweise, der Kombination von Rieg und massiven Holzteilen angepasst. Die drei Dachründen gehen aber weit über die
Bauart und Form der Bauernhäuser hinaus. Darin spiegeln sich das Selbstbewusstsein und der Wohlstand des Müllers.
Dendrochronologische Untersuchung
Holzuntersuchungen, durchgeführt durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern, vom März 2021 zeigen, dass die ältesten Holzteile des Unterbaus des Mahlwerks aus dem Jahr 1560 stammen. Die
Untersuchungen anderer Hölzer zeigen, dass sie im Herbst/Winter 1819/20 und Herbst/Winter 1820/21 geschlagen wurden. Somit kann die inschriftliche Datierung der Bauzeit der heutigen Mühle von
1821 bestätigt werden.
1976 wurde die Kulturmühle mit all ihren Nebengebäuden - Stöckli,
Holzbrücke, Entenhaus, Knochenstampfe und Barockgarten - unter eidg. Denkmalschutz gestellt.
Im Mühlekanal drehen zwei Wasserräder. Das grosse bewegt den Mühlstein, das kleine die Knochenstampfe.
Das grosse Wasserrad wurde im Jahr 2002 total renoviert, die Schaufeln mussten 2018 ausgewechselt werden. Das kleine Wasserrad wurde im Jahr 2024 erneuert (siehe Bilder).
Totales Theater unter Jolanda Rodio
Bis 1970 wurde noch ein Mühlebetrieb geführt. 1972 erwarb die Gesangs- und Theaterpädagogin, Jolanda Rodio (1914) das stattliche Haus und begann mit dem Aufbau zum Kultur- und
Begegnungszentrum. Jolanda Rodio lebte lange Zeit in Dänemark, wo sie u.a. mit dem königlichen Danneborg-Orden für ihre kulturellen und künstlerischen Leistungen ausgezeichnet wurde. In der
„Kulturmühle“ begründete Jolanda Rodio die Schule Totales Theater und das Child Drama Seminar. Sie organisierte Kunstausstellungen, Konzerte, Ausbildungstagungen und Kurse. Die Kulturmühle
wurde nach und nach zu einer weit über die Region Emmental hinaus bekannten Institution.
Jolanda Rodio stirbt am 1. November 2000 in Dänemark. In der Müller-Stube der Kulturmühle ist ein Gedenkstübli eingerichtet.
Die Stiftungsgründung
Finanzielle Probleme führten 1990 zum Konkurs und zur Auflösung der Theater Schule. Eine private Rettungsaktion erarbeitete ein neues Betriebs- und Finanzkonzept. Am 8. September 1992 beschloss
der Grosse Rat des Kantons Bern einen Sanierungsbeitrag. Damit konnte die Stiftung Kulturmühle Lützelflüh geschaffen und Mühle als Kultur- und Begegnungszentrum gerettet werden. Dank
Geldmitteln des Bundesamtes für Kultur, der Kantonalen Denkmalpflege und des Lotteriefonds des Kantons Bern, zahlreichen privaten und öffentlichen Stiftungen und ungezählten Einzelpersonen
konnten seit 1993 umfangreiche Um- und Ausbauarbeiten ausgeführt werden.
40 Jahre Kulturbetrieb
Die Kulturmühle Lützelflüh hat heute im Kulturangebot des Emmentals einen festen Platz. Im 2012 feierte die Kulturmühle ihr 40-jähriges Bestehen. Fritz von Gunten, eine der treibenden Kräfte
der Rettungsaktion, leitete die Kulturmühle rund 20 Jahre. Im Jahr 2014 hat er die Leitung in jüngere Hände übergeben.
Willy Alexander Bärtschi wurde am 12. Juni 1906 in Waldhaus bei Lützelflüh geboren. Nach der Schulzeit in Lützelflüh, der Mittelschule in Zürich, dem Gymnasium in Frauenfeld, fällte er den Entschluss, Maler zu werden. Willy A. Bärtschi besuchte die Kunstakademie in Breslau und wurde später Schüler von Otto Dix in Dresden. Er lebte von 1934 bis 1938 als freier Maler in Dresden und zog 1938 zurück nach Zürich. Willy A. Bärtschi malte unter anderem in Andeer das Wandbild und Sgraffito am Dorfeingang und illustrierte verschiedene Bücher. 1943 begann er seine Tätigkeit als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich und unterrichtete in Malen, Zeichnen, Anatomie, Geometrischer Perspektive und Darstellender Geometrie. Er war Autor mehrerer pädagogischer Fachbücher über Perspektive, Schattenkonstruktion und Anatomie. Nach seiner Ausstellung in der Kulturmühle schenkte Willy A. Bärtschi 1986 seine Bilder der Kulturmühle. Im Mühlestübli wurde 2021 mit einer kleinen Auswahl seiner Bilder und Informationen ein Gedenkstübli eingerichtet, welches auf Anfrage besichtigt werden kann.